Katastrophenurteil

Man könnt fast meinen, der Fall wäre extra herausgesucht worden, um anhand der Dekadenz den Tenor des Urteils unter der Empörung des gesunden Volksempfindens verstecken zu können.

Die FR gibt das Ganze schon mal unkorrekt wider. Wer sich die Mühe macht, bis zum BGH zu surfen, kann die dortige Mitteilung der Pressestelle lesen, und kommt vielleicht auf den Trichter, welcher Damm da gebrochen wurde.

Es geht/ging NICHT um 140m² für EUR 1100,- kalt für einen Leistungsempfänger nach SGB II bzw. später XII, und ob der Leistungsträger die Kosten der Unterkunft übernehmen muss oder nicht.
Es geht auch im Detail gerade NICHT darum, dass der Betroffene auch einen guten Anteil eigener Schuld trägt, dass zur Kündigung berechtigende Mietschulden aufgelaufen sind.

Es ging nämlich darum:

Zwar kommt der Schuldner nur in Verzug, wenn er das Ausbleiben der Leistung im Sinne von § 276 BGB*** zu vertreten hat. Bei Geldschulden befreien jedoch wirtschaftliche Schwierigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen verspäteter Zahlung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruhen. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der einer Geldschuld zugrunde liegenden unbeschränkten Vermögenshaftung („Geld hat man zu haben“) ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen. Dieses Prinzip gilt auch für Mietschulden.

Der Knackpunkt an dem Urteil ist, dass findigen Jobcentern damit Tür und Tor geöffnet werden, Leistungsempfänger mit der „versehentlichen“ Zurückhaltung der Mietzahlung zu erpressen und de facto der Wohnungslosigkeit auszusetzen. Denn nach dem Urteil spielt es keine Rolle mehr, warum der Vermieter die Miete nicht erhält. Ob sich ein Jobcenter dabei rechtskonform oder -widrig verhält, ist dann auch nicht mehr erheblich, wenn die Wohnung erst gekündigt wurde, weil die Mietzahlungen nicht geleistet wurden.
Zwar kann man sich mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz relativ zeitnah wehren, ein Beschluss eines Sozialgerichts heißt aber auch noch nicht immer, dass dann auch gezahlt wird. Es gibt mehr als eine glaubwürdige Schilderung, dass der Gerichtsvollzieher persönlich im Jobcenter die Kasse pfändete, weil freiwillig keine Auszahlung erfolgte.
Das macht es für Leistungsempfänger auch wieder schwieriger, überhaupt eine Wohnung zu bekommen. Als Vermieter hätte ich auch keine Lust, jeden Monat auf das Wohlverhalten des Leistungsträgers zu hoffen.

Alles in Allem ist das Urteil eine reine Katastrophe.